Ich bin zurück – Flamencofestival 2019 im tanzhaus nrw {werbung/kooperation*}

Ich war wieder beim Flamencofestival und ich habe mein Versprechen mir gegenüber eingelöst: Es mir so angenehm wie möglich zu machen. Und damit ging es: Zum Beispiel habe ich den Computer diesmal nicht aufgedreht – dafür hat mein Handy geglüht, aber das war gut so. Meine Beiträge habe ich auf Instagram und Facebook veröffentlicht, hier kannst du sie nachlesen:

Instagram Postings zum Flamencofestival 2019 in Düsseldorf
Ein Screenshot meiner Instagram-Postings zum Flamencofestival 2019 im tanzhaus nrw.

 

Aber so ganz ohne Blogbeitrag geht das auch wieder nicht, außerdem habe ich etliche Dinge nicht in meine Instagram-Posts geschrieben, die ich doch gerne noch ansprechen möchte. Also…

Meine Kurse: Estévez und Paños

Ich habe diesmal gut darauf geachtet, auch Pausen zuzulassen und habe „nur zwei Kurse“ gebucht. Und es hat sich wieder herausgestellt, dass erstens die Pausen auch ganz schnell gefüllt werden mit „Nebenbeschäftigungen“ und zweitens die beiden Kurse so fordernd waren, dass ich nicht mehr machen hätte können.

Rafael Estévez

Ich war mental sehr gefordert – Rafael Estévez ist ein Rhythmus-Crack und hat uns in seinen beiden Kursen (eine Masterclass und ein Choreographie-Kurs) ans Limit des 12er-Compases gebracht. Ich bin selbst eine Rhythmus-Aficionada und je trickreicher, desto besser, ich war also wirklich im richtigen Kurs, aber hui, da braucht man schon auch Zeit zum Knüpfen neuer Neuronenverbindungen. In Kombination mit der völlig anderen Fußtechnik, die sich stark auf das Fußgelenk konzentriert, war das schon eine Klasse für sich. Und da habe ich noch nicht von den Marcajes gesprochen und all den anderen Bewegungen, die sich auf ganz lockere Weise aus seinem Körper drehen. Jedenfalls: langer Worte kurzer Sinn – beste Klassen, wiedermal.

Valeriano Paños

Der Kurs von Valeriano Paños war schön – es war eine Choreographie im Stil „Polo“ aus einer Zeit vor dem Flamenco. Klassisch, mit vielen Drehungen und Zapateado-Teilen und so ganz anders als alles, was ich bisher gelernt habe. Ich wollte unbedingt mal einen Clasico-Kurs ausprobieren und das habe ich getan. Das Choreographie-Stück, das wir in den beiden Tagen gelernt haben, ist fließend, rund und mit Akzenten. Die Sprünge hat er dann aber doch weggelassen. Nicht jedeR ist so eine gespannte Feder wie er. Ich habe den Kurs jedenfalls sehr genossen.

Wenn du die Musik suchst, zu der wir getanzt haben – suche nach: „Polo“ in „Musica en la villa y corte de Madrid“.

Was andere so erzählt haben oder was ich beobachtet habe (vom 2. Wochenende)

Wir plaudern ja viel (Pause, Pause). Ich habe gehört, dass der Kurs von Fernando López Rodriguez sehr gut gewesen sein soll – er hat einen Einblick in seine somatische Arbeit gegeben und dafür hätten alle gerne mehr Zeit gehabt. Aber fürs erste Mal war das wohl gut. Die Kurse von Ángel Muñoz waren sehr gut besucht und es ging rasant zu. Die Menschen waren verschwitzt und froh. Die Masterclass von Valeriano Paños war total schön (und ur schwer), ich hab gerne zugeschaut. Die Kurse von Anna Natt und Ulrich Gottwald mussten leider abgesagt werden.

Impulso – Film von Emilio Belmonte

Das war ja wirklich sehr klug gemacht – sowohl diesen Film beim Festival zu zeigen als auch das Stück, um das es im Film geht, auf die Bühne zu bringen. Für mich als Teilnehmerin war das schon sehr luxuriös.

Der Dokumentarfilmer Emilio Belmonte begleitete Rocío Molina und ihre Musiker acht Monate lang bei der Vorbereitung auf den großen Auftritt mit „Caída del Cielo“ im Pariser Théâtre National de Chaillot.

Das Flamencofestival im großen Saal: Àngel Muñoz und Rocío Molina

Gegensätzlicher hätte es nicht sein können und das ist ja immer gut. Es zeigt die große Bandbreite im und rund um den Flamenco und es zeigt, dass ich all das an nur einem Festivalwochenende erleben kann.

Àngel Muñoz mit „Claroscuro“

Er war mit einem Programm namens „Claroscuro“ auf der Bühne und ich habe eine Zeit gebraucht, um ruhiger zu werden. Das Setting mit den definierten Lichtkompositionen (Gitter, Quadrate, Gefängnis, …), die elektronische nts nts nts-Musik und die Blasinstrumente (Saxophon, Querflöte, Klarinette, Mundharmonika) haben mich glauben lassen, dass ich hier etwas „außerhalb“ der „Flamenconorm“ sehen würde. Was auch immer „Flamenconorm“ ist. Ich meinte im Tanz. Also: keine normierten Choreographie-Abläufe und vielleicht auch keine Tänze, die Flamenco-Palos entsprechen. Also war ich die erste Zeit erstens irritiert, dass dieses Versprechen nicht eingehalten wurde und zweitens fühlte ich mich durch die lauten Töne gestresst. Dann kam mir zum Glück der für mich entspannende Gedanke und die Erkenntnis: He, es hat mir eigentlich niemand das Versprechen gegeben, dass ich hier etwas „anderes“ sehen würde. Gut, es wurde vielleicht durch ein paar Hinweise suggeriert – aber versprochen? Nein. Und außerdem: ist es „schlimm“, wenn es normiert bleibt? hm. Nein, ist es nicht. Es kann auch in der „Flamencokiste“ gut sein. Also habe ich nochmal hingeschaut und viele gute Momente gesehen, über die ich mich noch immer freue.

Angel Munoz Flamencotänzer in Claroscuro, Foto von Klaus Handner beim Flamencofestival 2019 tanzhaus nrw
Foto: Klaus Handner, flamencofoto.de

Gut für mich war zB der Tangos, den Àngel Muñoz mit Mundharmonika-Begleitung von Diego Villegas gezeigt hat. Überhaupt die „Blasmusik“ von Diego Villegas! Das hat mir an diesem Abend wirklich gut gefallen.

Rocío Molina mit „Caída del Cielo“

Der Film „Impulso“ von Emilio Belmonte hat es ja schon angekündigt, dass hier etwas Großes kommen würde. Ich habe das Stück endlich live gesehen (auch deshalb ich das Festival so toll: ich kann die besten Stücke sehen obwohl ich zur Zeit nicht viel rumreise zB nach Spanien). Es war das beste Konzert, das ich in meinem Flamencoleben bisher gesehen habe. Wirklich. Ich will jetzt garnicht anfangen, das Stück zu beschreiben, ich glaube nämlich, ich könnte dann nichtmehr aufhören. Ich habe zwei ganz gute Zitate gefunden, die mir hier raushelfen:

Es ist die Reise einer Frau, nein, die Reise aller Frauen durch das Leben, das in vollen Zügen gelebt werden muss, sonst ist es vergebens. Mit ihren vier hervorragenden Musikern, Pablo Martín-Jones, José Ángel Carmona, Eduardo Trassierra und El Oruco, überschreitet sie alle Grenzen, sie holt den Flamenco aus seiner Komfortzone und sie akzeptiert nur eine Maxime: Es ist verboten zu verbieten. (Susanne Zellinger)

Und:

Über Caída del Cielo wurde schon so viel geschrieben, dass mir ein wenig die Worte fehlen, außerdem muss es sowieso jeder Aficionado irgendwann gesehen haben. Rocío Molina erlaubt sich jene Art von Freiheiten, die im Flamenco vor kurzem noch undenkbar waren und außerdem spielt sie tänzerisch in einer eigenen Liga. (Susanne Zellinger)

Warum ich ewig schreiben könnte? Weil das Stück so nachhallt, es beinhaltet so viele Details neben den großen Linien und Tänzen, und die kommen erst nach und nach an die Oberfläche. Nach dem ersten Abend war ich richtig erschöpft vor Begeisterung. Und ich weiß nicht, was mich mehr begeistert hat:

  • Die Gitarre von Eduardo Trassiera? Ja, jedenfalls – sie war so eigenwillig!
  • Der Gesang von José Ángel Carmona? Ja, jedenfalls – ich mag seine Stimme und he, er hat auch E-Bass gespielt!
  • Die Rhythmus-Kapriolen (Palmas und Cajón) von José Manuel Ramos „Oruco“? Ja, jedenfalls – sehr! Was er für Melodien über den Flamencocompas legt ist fantastisch. Und, äh, wie geht das, so rasend schnell zu klatschen???
  • Das Schlagzeugspiel von Pablo Martín Jones und seine Elektro-Einspielungen? Ja, jedenfalls!!!
  • Die Tanzwelt der Rocío Molina? JA!!! Nämlich alles.

Ich muss es nicht trennen und genau auseinanderfizzeln, das Zusammen war es natürlich und was daraus entsteht.

Rocio Molina in Caida del Cielo beim Flamencofestival 2019 im tanzhaus nrw
Foto: Klaus Handner, flamencofoto.de

Neu und nackt-bedeckt

Dass dabei auch immer etwas anderes und neues entsteht habe ich am zweiten Abend gemerkt: Da war einiges anders als am ersten Abend! Und wieder erinnerte ich mich an den Film „Impulso“ in dem viel von Improvisation gesprochen/getanzt wurde. Ich dachte zuerst, dass nur der Entstehungsprozess des Stückes damit gemeint war – aber nein, jeden Abend an dem „Caída del Cielo“ gezeigt wird, passiert etwas Neues. Die Gruppe hat das beim anschließenden Publikumsgespräch mit Susanne Zellinger auch nochmal genau beschrieben. Da gibt es zum Beispiel eine Szene nach dem Beginn in der weißen Bata de Cola, wo sich Rocío Molina wieder anzieht – sie sagte: „Carmona singt irgendwas, keiner weiß, was das sein wird. Die beiden an der Percussion, Oruco und Jones, setzen mit der Begleitung ein. Dann tanze ich und sie müssen auch mich begleiten. Und immer wenn mein Knie den Boden berührt muss Trassiera Soleá an der Gitarre spielen“. Sie machen das, damit alle wach und spannungsgeladen sind und nicht in Routinen verfallen auf der Bühne. Und das spührt man als Zuschauerin. Ja, sehr.

Dass über die Nicht-Nacktszene in „Caída del Cielo“ so viel diskutiert wurde damals in Jerez de la Frontera ist natürlich etwas… naja, peinlich, finde ich. Und auch das wurde beim Publikumsgespräch nochmals angesprochen. Und Rocío Molina hat da natürlich vollkommen recht, denn es ist keine Nacktszene – sie hat ihre Hände vor ihren Brüsten und Vulva, man sieht davon nichts. Aber ja, sie ist nackt und wieso gilt es eigentlich nur als „nackt“ wenn man „alles“ sieht? (fällt mir gerade als Quer-Frage ein).

Jedenfalls: Diese Szene war notwendig, erzählte Molina, sie hat das Stück rund gemacht und alle losen Fäden miteinander verknüpft. Kein Wunder – es geht um die Geburt von Frauen im Stück und womit könnte man besser beginnen, als mit der Geburt der Venus? Wie das in „Caída del Cielo“ aussieht, kannst du im Beitrag auf www.flamenco-divino.at sehen. Wie es bei Botticelli aussieht siehst du hier ⬇️

Bild der "Geburt der Venus" von Botticelli - wikipedia
Sandro Botticelli – La nascita di Venere – Google Art Project

Verstärkte Schuhe und warum ist das alles so laut?

Was mir aufgefallen ist: immer mehr TänzerInnen haben Mikros an den Schuhen und damit kann man jede noch so kleine Berührung mit dem Boden verstärken und hören. Wollen sie das? Scheint so. Was mir auch aufgefallen ist: Rocío Molina hatte keine Mikros an den Schuhen und das, was ich hören konnte in der letzten Reihe des großen Saals, war umwerfend, nuanciert und volltonig.

Außerdem ist mir aufgefallen, dass insgesamt der Sound viel angenehmer, vollmundiger und ausgeglichener bei „Caída del Cielo“ war als bei „Claroscuro“ – und das lag sicherlich nicht daran, dass der Tontechniker von Àngel Munoz nicht so gut war. Glaube ich nicht. Ich habe eine Vermutung: Es lag an den Mikros an den Schuhen! Ich vermute, dass, wenn die Schuhe so laut klingen, die anderen Instrumente noch lauter klingen müssen, um ein ausgewogenes Klangbild zustande zu bringen und das sprengt dann irgendwann die Ohren. Es gibt kein Leise mehr. Uff. Bei „Caída del Cielo“ gab es Schlagzeug, E-Gitarre, lauten Gesang und dennoch keinen Schmerz in meinen Ohren. Ich glaube, es wurde nicht bis an den Anschlag gedreht und wenn Rocío Molina gesteppt hat wurde es ein wenig stiller rundherum, damit man sie hören konnte. Ich fand das gut.

Im ganzen Haus ist was los

Schon länger werden beim Flamencofestival nicht nur der große Saal und die Workshopräume mit Flamenco gefüllt. Das ganze Haus ist Ort für Kunst und das ist für mich ein weiterer Aspekt, warum ich dieses Festival so liebe. Man ist immer mittendrin, egal an welchem Punkt im Haus man sich befindet. Die eine kleine Schattenseite davon ist, dass es nirgends Pause gibt, immer flirrt etwas in den Kopf, entweder durch die Augen oder Ohren oder überhaupt durch die Haut. Von den vielen Eindrücken möchte ich gerne zwei, drei, vier, fünf herausgreifen, weil sie zeigen, wie unterschiedlich alles sein kann.

Privatstunde mit „Oruco“

Ich bin gerade am Privatstunden-Trip, weil ich für mich herausgefunden habe, dass ich derzeit so am besten lernen kann. Die Stunde mit Oruco, der eigentlich Tänzer ist aber als Palmero und Perkussionist bei Caída del Cielo auftritt, war sehr großartig. Schwer und gut. Völlig unkompliziert war die Raum-Organisation durch das tanzhaus-Team, danke!

Performance von Vera Fenyvesi Köppern

Dieses Jahr in der Aula ging es um Kasatka, die Orca-Waldame und ihren Trainer Ken Peters. Vera Fenyvesi Köppern erzählte von der extrem berührenden Geschichte ohne Happy End und tanzte dazwischen. Während sie mit einem dünnen Gummischlauch, so einem wie man ihn wohl für Atemwegsdinge durch die Nase gezogen bekommt, an der Mauer festgebunden ist. Für mich war ihre Performance vieles – irritierend, aggressiv und wellig-weich. Einige waren verstört, andere weinten, einige hatten Fragezeichen über ihren Köpfen. Manche wussten es besser. Alles war dabei und so soll Performance sein. Mir hat das Gespräch danach gefehlt.

Muntjac oder Was ich von einem Wal, einem Reh und einem Hyänenrudel gelernt habe, Kapitel 1: Kasatka

Offene Probe „Project 12“

Juan Carlos Lérida hat auch dieses Jahr eine Residenzzeit im tanzhaus verbracht. Letztes Jahr gemeinsam mit Vera Fenyvesi Köppern in der Küche, dieses Jahr mit mit François Ceccaldi, Vera Fenyvesi Köppern, Laura Gutiérrez Vázquez, Yota Baron, Niklas Baumberger, Karen Mora, Vincent Colomes, Rosanna Terracciano im großen Tanzraum ganz hinten (Raum6?). Auch dieses Jahr war die Residenz ein Teil seines Projekts „La Liturgia de las Horas“, in dem es um den Weg Jesus Christus vom letzen Abendmahl bis zur Auferstehung geht. Geplant ist für 2020 eine 12-stündige Präsentation an 6 verschiedenen Orten. Um dorthin zu kommen, arbeitet Juan Carlos Lérida seit über einem Jahr in unterschiedlichen Konstellationen.

Zum Beispiel auch in der Autowerkstatt „Talleres Ramon Pons“, wo „maquinas sagradas“ entstanden ist.

Was geschah dieses Jahr im tanzhaus?

Die Residenz begann am Montag nach dem ersten Festivalwochenende, ich kam am Donnerstag darauf ins tanzhaus und beobachtete, dass die Gruppe der Residenz-TeilnehmerInnen fast unsichtbar und unfühlbar präsent war. Sie waren beinahe non-stop zusammen und in ihrem Bereich. Es drang wenig nach außen und eine Vermischung mit dem Trubel des Festivals fand bis auf ein paar wenige Ausnahmen nicht statt. Das kann ich bei so einer intensiven Arbeiten gut verstehen. Umso neugieriger war ich dann, als die Tore zur „offenen Probe“ geöffnet wurden (und dann doch zu früh geöffnet und wieder geschlossen und wieder geöffnet wurden… es war ein verwirrender Start).

Das ist mir im Gedächtnis geblieben:

  • Die TänzerInnen begannen mit einer Szene, die so aussagekräftig war, dass ich damit eigentich schon ausgelastet genug gewesen wäre. In blau/rot gekleidet gingen sie barfuß durch den Raum, mit einem Brett auf dem Kopf, darauf  ihre Schuhe balancierend. Nach und nach gab ihnen die Figur, die Juan Carlos Lérida verkörperte (Jesus?), ihre Schuhe vom Kopf in die Hände und sie durften sie anziehen. Inmitten des Geschehens der Fotograf Niklas Baumberger, wie ein Mann aus der Zukunft, vergleicht man ihn mit dem Kontext des Gezeigten. Dieses Bild der aufeinandertreffenden Zeiten gefiel mir sehr gut. Die Symbolik der „Ermächstigungsszene“ an sich triggerte in mir so viele „Aber“, „Wenn“, „Nicht!“, dass ich davon ganz überwältigt war.
  • Danach folgte eine wilde Szene im Kreis, in dessen Mitte der Musiker Francois Ceccaldi mit seinen Drumsticks stand und auf die Bretter schlug, die die TänzerInnen vorhin noch auf dem Kopf hatten und jetzt in unterschiedlicher Höhe ihm entgegenstreckten. Er schlug wild drauf ein wie in einem erschöpfenden Schlagzeugsolo. Als Idee an sich fand ich das ein spannendes Element.
  • Später dann löste sich Rosanna Terracciano aus der Gruppe und schwingte sich ein einen Tangos ein, der ruhig und gelassen war. Überhaupt übernahm sie aus meiner Sicht bei dieser Präsentation die Rolle der unabhänigen, gelassenen Frau, die sich oft nicht am drängenden Gruppengeschehen beteiligte. Mir gefiel diese Rolle sehr gut. I wonder why.
  • Danach wurde es wieder extatisch, erschöpfend und verschwitzt – als Utensilien kamen Kastagnetten ins Spiel, die wild geschlagen und geschüttelt wurden. So wie auch die Körper der Beteiligten.
Foto von Projekt 12 beim Flamencofestival im tanzhaus nrw - Foto von Peter Martin
Foto von Peter Martin

Für mich waren es einzelne Szenen und Ideen, die ausprobiert wurden. Probiert – wie in Probe. Völlig irrelevant, ob sie gefallen, funktionieren oder auseinanderbrachen. Was das gute Recht einer Probe ist.

Wir als Publikum hatten danach noch die Gelegenheit zu fragen oder zu kommentieren, aber mir ist das oft auch zu knapp danach. Die Symbolik im „letzten Abendmahl“ ist dicht und eröffnet jeder Verschwörungstheorie Tür und Tor – wer blickt wohin, wie sind die Hände, wer trägt welches Gewand, wer ist Mann, wer ist Frau? Außerdem die Symbolik der Zahl 12, hier gibt es unendlich viel zu sehen und zu denken. Und das mit den Schuhen und der Ermächtigung zu tanzen oder Klänge zu machen, außerdem lag ein Skelett einer menschlichen Wirbelsäule als Grenzzug zwischen Publikumsbereich und Performance-Raum. 12 Brustwirbel, 12 Rippen (manchmal auch 13) und so weiter. Mir fällt es schwer, gleich danach Fragen zu stellen oder meine Gefühle zu sortieren, denn ich habe da ganz schön was zu tun. Ich hoffe, ich habe bald nochmal die Gelegenheit dazu, noch mehr zu fragen und zu erfahren. Auch über den Probenprozess…

Bailar en Hombre von Fernando López Rodríguez

Am letzten Festivaltag, als die Workshops zu Ende waren (und arrrgh, das Bistro zu hatte, wtf!) gab es im kleinen Saal noch einen Schatz zu heben.

Bailar en Hombre Flamencokonzert von Fernando Lopez Rodriguez und Irene Hernandez beim Flamencofestival im tanzhaus nrw
Foto: Klaus Handner, flamencofoto.de

Es ist (leider erst) die zweite Arbeit von Fernando López, die ich live sehen konnte. Auch dieses Mal tanzte er nicht nur ein Stück, sondern zeigte auf mehreren Ebenen, was er zu einem bestimmten Thema, diesmal „männlicher/weiblicher Flamencotanz“, erarbeitet hat. „Bailar en Hombre“ ist eine Performance mit Text, Tanz, Schauspiel und Wissen. Das schreibt er selbst darüber:

The work is the culmination of his research spanning over two years on the construction of masculinity in flamenco dance, the male-female relationship and their respective roles in this space and finally, the deep connection, in his view, between gender and sexuality. (Fernando López)

Weil Fernando López auch will, dass man seine Arbeiten versteht, hat er einiges auf deutsch vorgetragen, was dem Publikum sehr entgegengekommen ist. Außerdem stand zu Beginn auf seinem Rücken nicht „Marica“ sondern „Schwuchtel“. Das Bild war stark – wie viele andere an diesem Abend auch. Er zeigte sich verwundbar, irritiert und fokussiert.

Das Stück entstand schon 2015 nach zwei Jahren Forschungsarbeit – dass es dieses Jahr im tanzhaus nrw zu sehen war hat einerseits ganz praktische Gründe (Förderrichtlinien – Absatz: wie alt sind die KünstlerInnen?) und trifft andererseits genau ein Thema, das jetzt wieder viele zu beschäftigen scheint: Wie ist das mit dem Frausein und dem Mannsein im Flamenco?

Zwei Links möchte ich gerne hier anhängen, denn darum ging es auch im anschließenden Publikumsgespräch: Um die Dekaloge, wie männlicher Flamencotanz zu sein hat (von Vicente Escudero) und wie weiblicher Flamencotanz zu sein hat (von Matilde Coral – pdf. Auf spanisch. Ab Seite 36. Aus dem Jahr 2011).

Sehr spannend finde ich die Kommentare zu meinem Facebook-Posting zu diesem Thema. Ich will da noch darüber nachdenken…

Ergänzend zum Stück „Bailar en Hombre“ habe ich einen Text gefunden, in dem es über „Farruca“ im männlichen Flamencotanz geht. Der Text untersucht berühmte Farruca-Interpretationen aus den 1950er und 1960er-Jahren von Antonio Gades, Mario Maya, Tomás de Madrid und Manolete – Themen und Menschen, die auch in „Bailar en Hombre“ vorkamen. Sobre las farrucas en el baile de hombre y mujer (Fernando López, auf spanisch).

Außerdem fallen mir bei dieser Gelegenheit noch zwei Bücher ein, die ich gerne (wieder oder endlich mal) lesen will:

„De puertas a dentro“ von Fernando López (auf spanisch) und „Flamenco(tanz) – zur Instrumentalisierung eines Mythos in der Franco-Ära“ von Kirsten Bachmann (auf deutsch).

Fotoshooting fürs nächste Jahr mit Niklas Baumberger

Eine letzte Aktion beim diesjährigen Flamencofestival war etwas für das nächste Jahr: der Fotograf Niklas Baumberger hat ein neues Projekt, das er beim Festival 2020 im tanzhaus nrw erstmals präsentieren will. Er zeigt Menschen des Flamencofestivals – KünstlerInnen, Publikum, Menschen im Hintergrund und Vordergrund.

Dazu hat er in einem Workshopraum sein Fotostudio eingerichtet und eingeladen. Beim Fototermin hat er ein paar der Fotos schon kurz hergezeigt, damit wir einen Kontext bekommen. Ich freue mich schon, wenn da und dort welche auftauchen werden. Hier gibt es schon eines zu sehen…

Warum ist dieser Beitrag mit „Werbung/Kooperation“ gekennzeichnet?

Auch dieses Jahr war ich im Rahmen einer Kooperation mit dem tanzhaus nrw beim Flamencofestival. Für meine Berichte bekam ich Logis, Pressekarten und meine Workshopteilnahme zur Verfügung gestellt. Inhaltliche Vorgaben gab es auch dieses Jahr nicht.

Um transparent zu bleiben und weil es rechtlich notwendig ist  (für mich und übrigens auch für das tanzhaus nrw) muss ich meine Beiträge kennzeichnen. Ich habe darüber im Blog von datenwerk geschrieben: „Influencer – Auf der Suche nach der richtigen Kennzeichnung“