Streetart Carmen Amaya Credit Pixabay

Geschüttelt und gerührt – Flamenco hat viele Gesichter

Drei Konzerte mit drei komplett unterschiedlichen Charakteren… oder besser gesagt: als drei unterschiedliche Charaktere in relativ kurzer Zeit. Das war viel und gut. Und danach kam, wie immer, mein Nichts. Und dann.

Nach dem Nichts kommt das Neue

Ich sortiere noch die Fotos und Eindrücke und bemerke, wie alles langsam in den Hintergrund rückt, weil neue Ideen Platz brauchen. FreundInnen bemerken das, weil ich dränge und unruhig, manchmal auch ungeduldig werde. Ich weiß, das bedeutet, etwas Neues ist im Entstehen. Und das macht sich in mir als Hunger bemerkbar, als Lust, als Freude, als Flirren und Glitzern. Gedanken werden schneller und Fragen stürzen durch den Raum. Ich freue mich, denn es fühlt sich lebendig an. Ja, so ist das mit der Entstehung. Ich bin sehr froh, dass es nicht nur mir so geht und dass FreundInnen Lust haben, gemeinsam zu Erschaffen. Und ich weiß auch, dass nach dieser ersten Phase weitere kommen werden -dunklere, langsamere, zweifelndere – bis das Neue bereit ist. Und ich.

Jetzt aber noch schnell ein Blick zurück:

La Vida Flamenca, 21.5.2019, OFF-Theater Wien

Der Abend war auf so vielen Ebenen schön. Barbara Höll und ich haben uns entschieden, einen gemeinsamen Abend mit unseren Schülerinnen (die ihrer Kurse und die meiner Kurse in der Academia Flamenca) zu gestalten. Ich weiß nicht, gab es das schon mal in Wien, dass Flamencoschulen an einem Abend gemeinsam aufgetreten sind? Ich fand diesen Aspekt auch sehr bemerkenswert.

Natürlich nutzten wir die Gelegenheit, um auch eigene Stücke zu zeigen – Barbara zeigte zwei Solotänze (Martinete und Guajira) und ich auch (wobei sich das nicht wie ein Solotanz anfühlt, wenn ich mit WASCHSALON, der Band, auftrete): Taranta und Tangos de Granada.

Das mit der Band – es gab nämlich neben den Gruppen der Schülerinnen auch noch eine weitere Komponente des Abends, die mich sehr glücklich gemacht hat: die Band (Eva Divotgey, Marko Dumancic und ich). Wir haben Teile unseres Programms an diesem Abend gezeigt und ich fand, alles zusammen war wirklich gut aufeinander abgestimmt (wir zeigten die Bulería, die Marko und ich gemeinsam spielten, das Lied Cucurrucucu, das Eva und Marko gemeinsam gestalteten und eben als Trio Taranta und Tangos de Granada).

Während der Taranta bei "La Vida Flamenca", Eva Divotgey, Marko Dumancic und Julia Petschinka
Y tu y yo subimos al cielo. Foto von Paul Coppens

Unseren Abschluss an dem Abend werde ich nie vergessen: Barbara und ich haben dafür tief in der Flamenco-Kostümkiste gewühlt und unsere alten (sehr alten) Sevillanas-Kleider ausgegraben. Dazu noch übertrieben viel Blumenschmuck auf den Kopf gesteckt und eine Choreographie aus weit vergangenen Tagen entwickelt. Fertig war „Locura“. Das war echt witzig. Außerdem waren alle an dem Abend beteiligten gemeinsam auf der Bühne – die beiden Sängerinnen Florence le Clézio und Eva Divotgey, die beiden Gitarristen Marko Dumancic und Franklin Henao und alle Schülerinnen in bunt, Tutu, Carnevalsmaske, Tupfenkleider… Manche spielten am Cajón, andere begleiteten mit Kastagnetten.

Finale La Vida Flamenca Foto von Paul Coppens
Wir haben es „Locura“ genannt, weil es so überdreht war. Foto von Paul Coppens

Dass ein selbstorganisierter Flamencoabend mit dem Abdrehen des Theaterlichts ja noch lange nicht vorbei ist hatte ich fast vergessen. Aber es sind schöne Nachwehen, denn der Saal war voll und wir haben viele gute Erfahrungen gemacht. Und gemeinsam ist das immer besser und machbarer!

Festival TANZpunktMG in Bewegung, Mönchengladbach (Deutschland), 25.5.2019

Und dann kam etwas ganz anderes. Nachdem ich Tupfenkleid und Blumenschmuck wieder eingemottet habe, zog ich die weiße Bata de Cola, eine Sporthose und Netzstrümpfe hervor. Eva Divotgey rührte zu  Flamenco noch Pop und Blues in ihren Cocktail, Marko Dumancic packte zu seiner Gitarre eine arabische Laute und wir stiegen in den Zug zu TANZpunktMG.

Im Sportstudio Saphir zeigten wir im „Geräteraum“ in vier Durchgängen eine Metamorphose von „Like a Virgin“ zu „Come Together“. Mein Tanzweg führte mich durch die Cardio-Geräte-Gänge zu einem Laufsteg aus Tanzboden. Ich schlängelte mich während Marko und Eva „Like a Virgin“ hauchten.

Like a Virgin in der ersten Version (von Madonna in den 1980er Jahren) trug dazu bei, dass ich Pop so liebe, dass ich Musikvideos vergöttere und dass Madonna für immer eines meiner Idole sein wird.

I made it through the wilderness… welche Wildnis? Im Sportstudio war es eine hohe Steppe aus Metall, gespickt mit Publikum, das an den Geräten Platz nahm. Einen Kniff bauten wir ein, denn nach Laszivität, Erinnerung, erstem Erleben – nachdem das reinweiße Schleppenkleid längst nichtmehr so weiß war – braucht es einen Akt: die arabische Laute und ihre Referenz auf einen anderen Umgang mit Jungfräulichkeit.

Ich zog mir das Kleid aus. (Wieder… für die, die „next.duo“ kennen).

Und dann kamen wir – als Gemeinsamkeit. Als wir mit der Band begannen und wir über Lieder und Vorlieben sprachen bemerkten wir, dass „Come Together“ ein guter Ausgangspunkt sein wird. Nur wollten wir etwas ändern, wir wollten es zu unserem machen. Eva schrieb also neue Strophen, in denen sie Eigenheiten von uns versteckte, wir packten Flamencoakkorde und -schritte hinein und fanden einen sehr kraftvollen Ausgang in dem wir den Stil komplett wechselten.

Da wir vier Durchgänge zeigten und ich alle verbinden wollte zu einer einzigen Spirale zog ich mein Kleid wieder an, setzte mich an ein Fitnessgerät und wartete.

Mit weißem Schleppenkleid am Cardio Gerät. Festival TANZpunktMG. Foto von Eva Divotgey
Foto von Eva Divotgey

Bis ich mich wieder auf den Boden legte, auf ein weiteres Mal neue Erfahrungen suchte, wieder mich anders-jungfräulich durch den Metalljungel bewegte um bei einer neuen Gemeinsamkeit zu landen.

Energetisch war das sehr aufwühlend, so viele Metamorphosen zu durchleben und zu zeigen. Ich brauchte danach meine Zeit, um von diesem Charakter zu mir zu kommen. Auch hier profitiere ich davon, dass ich das nicht zum ersten Mal mache und nicht alleine bin. Ich kenne die Phasen, ich kenne das Strahlen, ich kann es jetzt zulassen.

Wie es Anja ging, die TANZpunktMG organisierte und selbst an dem Abend vier Mal ein Stück zeigte, beschreibt sie hier TANZpunktMG-eine Woche danach.

 

Zeitungsbericht über das Festival TANZpunktMG in Mönchengladbach
Hier ist ein schöner Zeitungsbericht darüber – das Bandfoto finde ich auch gelungen (von Daniel Karsch). Leider ist mit der Bildunterschrift etwas schief gegangen. Aber du weißt ja: Ich bin nicht Ines Fordinal. Ines ist an diesem Abend übrigens auch aufgetreten und ich bin aus mehreren Gründen sehr froh darüber <3

 

Flamenco After Eight, 1.6.2019 OFF-Theater

Gleich wieder in Wien konzentrierte ich mich ganz auf die Proben mit Madoka Kutschera und Susanne Heinzinger. Wir hatten noch ein paar Sequenzen offen für unsere Cantiña mit Hut. Neben der Cantiña tanzten wir als Trio noch Fandangos – und ich mochte beide Tänze von uns sehr gerne.

Foto von der Choreografie "Fandangos" von Madoka Kutschera, Susanne Heinzinger und Julia Petschinka.
Fandangos: Madoka Kutschera, Susanne Heinzinger, Julia Petschinka. Foto von Michaela Trbanos.

Die Cantiña mag ich etwas mehr, da wir mit Hut arbeiteten. Was mir an dieser Zusammenarbeit so gefällt ist, dass wir nicht einfach nur einen Tanz zu dritt tanzen, sondern dass wir zu dritt einen Tanz erfinden und schauen, wie wir herausarbeiten können, dass wir drei Menschen auf der Bühne sind. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie sich drei Körper bewegen können, wie der Raum gefüllt werden kann, wo Schwerpunkte gesetzt werden und, und, und.

Der gesamte Abend „Flamenco After Eight“ war wirklich schön und sehr ausgewogen zwischen Flamenco und Klassik. Es gab Tchaikovsky am Klavier und Flamenco an der Gitarre (mit Cajón und Gesang). Für mich war es herausfordernd, weil ich eine lange Pause zwischen der ersten Nummer des Abends (Fandangos) und der letzten (Cantiñas) hatte.

Cantiñas bei Flamenco After Eight. Foto von Michaela Trbanos
Cantiñas mit Hut bei „Flamenco After Eight“. Tanz: Julia Petschinka, Susanne Heinzinger und Madoka Kutschera. Gesang: Florence le Clézio, Gitarre: Martin Kelner, Cajon: Maria Petrova. Foto von Michaela Trbanos.

Ich freue mich jedenfalls sehr, dass wir im Februar nochmals die Cantiñas zeigen werden!

Und dann

Und nach dem dritten Konzert, dem dritten Charakter, der dritten Art zu arbeiten kam meine Erschöpfung. Ich fühlte mich schwer und langsam, wollte Ruhe und nichts zu tun. Ich weiß, dass ich das zulassen kann und ich weiß auch, dass Routinen mir dabei helfen, weiter zu machen. Also ging ich ins Studio.

Ich übe, bereite meinen Unterricht für das kommende Semester vor, nehme Privatstunden bei Marco de Ana und mache mir keine Sorgen. Ich bleibe in Kontakt mit FreundInnen und merke, wie sie kommen – Lust, Hunger und Ideen. So schöne Wellen.