Und jetzt bist du weg – kommst nicht mehr*

Twoday.net, das Weblog Hosting Service, ist weg oder zumindest angeblich seit 31. Mai 2018 abgedreht. Und das berührt mich auf so vielen Ebenen.

Ich habe 2004 auf twoday.net als JUPE – no comment zu bloggen begonnen, ohne zu wissen, was das ist oder werden kann oder wird. Ich blicke mal kurz zurück und lerne.

JUPE

Meine digitale Identität begann ich allerdings schon davor zu formen, ich hatte bald eine Webseite, die ist aber auch längst verschwunden (und nichtmal im Webarchiv zu finden, ach) und murkste mich mit html duchs Interweb.

Aber dann kam der Blog und damit wurde es anders, denn ich bin mitteilungsbedürftige Tagebuchschreiberin und das ging nun plötzlich so einfach. Einloggen, schreiben (bloggen), klickiklacki alles online, toll!

Als twoday Anfang des Jahres verkündete, den Dienst komplett einzustellen, hat mich das getroffen. Auch wenn ich seit 2014 nichtmehr dort aktiv blogge sondern zu WordPress umgezogen bin.

Meine Strategie für meine neue Webseite und den alten Blog war: der twoday-Blog ist mein Online-Archiv, meine Web-Geschichte, auf die ich immer wieder verlinke. Das geht jetzt nicht mehr, ich brauche also eine neue Strategie. Ich habe letztendlich nicht alle meine Beiträge aus dem alten Blog exportiert, ich will mein Archiv nicht mit mir herumschleppen. Ich will nur darin stöbern können. Verlinken kann ich dann darauf aber natürlich nichtmehr – ihr müsst mir einfach glauben, wenn ich von früher erzähle.

Also habe ich sortiert – habe alle (!) Beiträge meiner 10 ersten Blogjahre gesichtet und Screenshots von meinen liebsten Beiträgen gemacht. Die kommen in ein Buch aus Papier – das hält viel länger. Das Buch kommt in meine Tagebuchkiste zu den anderen Tagebüchern aus den letzten, ähm 30+ Jahren.

10 Jahre Webgeschichten

2004 war schon einiges los im Web, aber noch nicht alles war so um Facebook, Google, Amazon, Apple gebündelt. Gab ja all das noch nicht in dieser (heutigen) Ausprägung. Erst drei Jahre nach Blog-start schrieb ich den ersten Beiträg über das iPhone.

To blog or what?

Worum ging es also in meinem Blog? Ich bloggte viel über das Bloggen selbst. Sehr meta! Es war eine neue Art, sich mitzuteilen und die wurde untersucht, ausprobiert und diskutiert. Tun und ständig hinterfragen…

Influencer! Ja, genau! Hehe.

Mit dem Bloggen kamen die Meinungen und die Menschen dahinter. Sowas wie Influencer gabs noch nicht, die wurden erst. Ich wurde aufrund meines Blogs öfters befragt („aha, du blogst – worüber? wieso? wer bist du eigentlich?“) und eingeladen, mitzudiskutieren. Und dann wurden BloggerInnen zu Firmen und Parteien eingeladen – als andere, echte Stimmen. Als die ÖVP mal zu einem Parteitag ein paar BloggerInnen einlud bot das schon wieder Stoff für Diskussionen. Ich nahm die Einladung letztendlich nicht an (ich war stattdessen als Jurymitglied bei Famelab), bloggte aber natürlich darüber.

Die Einladung von Gabriele Heinisch-Hosek, sie einen Tag zu begleiten, nahm ich an und ja, bloggte darüber. Was auch sonst?

Internet-Logbuch

Also, „Log“ natürlich nicht von „lügen“! Ich verlinkte viel – vor allem zu Beiträgen über das Bloggen, über Physik und Wissenschaftskommunikation und auch bißchen Flamenco. Meine Revue-Passierung hat mir gezeigt: ich las viel mehr und erzählte das weiter. Es war soetwas wie: „ich habe einen interessanten Beitrag gefunden, darin gehts um dies und das, das finde ich gut/blöd weil, Link. Aus“. So einfach!

So einfach!

Tatsächlich kamen mir die älteren Beiträge viel leichter, flockiger und unbedarfter vor. Es war richtig gut, die nochmal zu lesen! He, ich hatte einen echt guten Blog. So vielseitig, zwischenzeitlich recht nerdig, verkopft und rotzfrech. Das Design war mir egal, es war grottig. Na und.

Ich bloggte jeden Tag und das war auch mein Ziel. Mitteilung, Meinung. Ja, vor allem Meinung. Total unkorrekt manchmal (ja, ich wurde elektronisch abgewatscht dafür… vor allem die kleine Flamencoszene vertrug damals direkte Meinung eher schlecht. Das waren Befetzungen, omg! Leider gibt es die schon lange nichtmehr öffentlich zu lesen.).

Bilderbuch und Lieder

Außerdem veröffentlichte ich Bilder meiner Stadtrundgänge („mein wien“), Streetart & Stencils von überall und „Ohrwürmer des Tages“. Aha, ich hörte also auch viel mehr Musik als derzeit.

Beobachtungen zu Web2.0

Haha, kennt ihr das noch: Web2.0? Außerdem gibg es um Second Life (lol, ich staunte nicht schlecht -DAS hatte ich ganz vergessen), Twitter („wer ist den jetzt eigentlich auf Twitter?), Facebook („wozu sollte ich Facebook nutzen???“), iPod, iPhone („ich habe jetzt auch so ein iPhone“, hihihi).

 

Und dann kam Flamenco

Ab ca 2009 nahm der Flamenco mit „Flamenco Empírico“ so einen gewaltigen Platz in meinem Leben ein, dass sich am Blog fast alles darum drehte. Meine ganze Vielseitigkeit richtete sich danach aus (im Nachhinein war das bißchen langweilig zu lesen), Meinungen wurden vorsichtiger und Kategorien verschwanden zu „Vermischtes“. Ich war am Weg, meinen Flamenco-Stil zu finden und zu formen. Ich begann Workshops, Konzerte und dann ein Festival zu organisieren.

Ich würde sagen: mein Gemischtwarenblog wurde zum Themenblog. Die Beiträge wurden länger, bedachter, durchdachter. Ich schrieb ja ohnehin seit 2004 Festivaltagebücher aus Berlin, Düsseldorf und Jerez – und Konzertkritiken. Aber es veränderte sich immer mehr. Beim Nachlesen bemerkte ich, dass die Leichtigkeit verloren ging. Und so fühlt es sich jetzt an.

Jetzt

Ich will das wieder erreichen – ich will der mitteilungsbedürftigen Tagebuchschreiberin wieder Platz geben. Ich will die Blog-Leichtigkeit wieder spüren. Es muss nicht alles so richtig, durchdacht und sauber sein. Es darf kurz, schnell, spontan und falsch sein. Es darf.

Twitter, Facebook, Instagram

Jaja, es war natürlich viel einfacher, als das alles noch nicht war. Lol. Ich bin zur Zeit am liebsten auf Instagram und in meiner kleinen, abgesperrten Twitter-Blase. Damals war das alles mein Blog. Foto, Kurznachrichten, Dings. Ich habe keine Ahnung, wie ich das hier schaffen kann – das Tagebuch, das es einmal war. Gibt es nicht. Mal sehen.

 

 

* Aus dem Lied „Und jetzt bist du weg“ von Udo Lindenberg oder Nena, je nach Geschmack.